Intelligente Hunde - Intelligente Züchter?

Mittlerweile findet man ihn fast überall, die Werbebranche hat ihn entdeckt, die Filmindustrie sowieso schon lange, er tritt in Fernsehshows als attraktives Hinguckelement auf, selbst beim Einkaufen in der Stadt vergeht kaum eine Woche in der mir nicht irgendwo wieder an eigentlich untypischer Stelle ein Border Collie über den Weg läuft. Anfangs fragte ich mich, ob mir die ganzen Hunde vielleicht erst jetzt aufgefallen sind, weil ich selbst welche habe....


Nein, leider ist dem nicht so. Die unverwüstlichen, flinken, fleißigen und robusten Arbeitshunde, die vor einigen Jahren noch nicht einmal in (deutschen) Hundebüchern zu finden waren, sind zum Modehund geworden. Ihre "handliche" Größe, ihr hübsches Aussehen, ihre rasche Auffassungsgabe, ihr Allroundtalent und nicht zuletzt die Zulassung zu Ausstellungen haben sie schnell populär gemacht.

 

Offensichtlich wissen das viele- ohne jedoch den Versuch zu machen, mehr wissen zu wollen, mehr über den Hund, mehr über seine Besonderheiten und rassetypischen Eigenarten, mehr über Verhalten und Zuchtauswahl und letztendlich viel mehr über die Welpenkäufer und die Zukunft des verkauften Hundes.
Seitdem ich mich inmitten der Border Collie Welt bewege, habe ich Bekanntschaft mit vielen, sehr unterschiedlichen Menschen und Hunden gemacht. Traurigerweise wiederholt sich all zu oft ein Verhalten, das mich doch schockt.
Nachdem ich einen "Zweithund" für meine Herdenarbeit suchte, telefonierte ich mit mehreren Züchtern und brachte mein Anliegen vor.

 

In einigen Fällen war es mir jedoch nahezu unmöglich, etwas über den/die Hunde zu erfahren, dafür wurde ich mit einer Menge Klatsch und Tratsch über andere und deren Fehler und unmögliche Hunde ausgestattet. Ich entschied mich für einen angelernten Rüden, der nach schlechten Erfahrungen anfangs recht menschenscheu und überängstlich war. Leider ist er ISDS gezogen und hat somit trotz sämtlicher sonst erfüllter Voraussetzungen keine Zuchtzulassung. Als ich mit verschiedenen Leuten darüber sprach, bekam ich zu hören: Verkauf doch den unnützen Fresser...! Der "unnütze Fresser" hat sich ganz toll gemacht, er ist mit seinem freundlichen Wesen der Lieblingshund der ganzen Familie und mein treuester Arbeiter an den Schafen.

 

Beim Gespräch mit Züchtern stellt sich mir immer wieder eine Frage: warum haben so viele Züchter im VDH keine alten Hunde ??? Wo sind sie ??? Werden sie, wenn sie nicht mehr zuchttauglich sind, ausgemustert und als unnütze Fresser verkauft? Warum? Die Verantwortung gegenüber unseren Zuchthunden endet doch nicht mit deren Zuchteinsatz !? Zum Glück habe ich auch die andere Seite kennengelernt: Züchter, die mir voller Begeisterung von ihren Hunden und anderen (!) erzählen, für die die Welt sich nicht um Ausstellungsergebnisse, sondern um das tägliche Leben und Arbeiten mit dem Hund dreht, die nicht mißgünstig am Ring über Andere und Richterbewertungen herziehen, sondern es sogar schaffen, anderen zu gratulieren. Deren Hunde nicht auf 2xCACIB und 3xV2 reduziert sind...

 

Sensibilisiert durch meine Vergangenheit als Hundebereichsleiterin im Tierheim befasste ich mich mit der Problemhundproblematik und der Border Collie Rescue. Erschreckend ist, daß in vielen Fällen durch verantwortungsvolle Zucht, optimale Prägung und intensivere Käuferauswahl der Leidensweg, den viele Borders und deren Besitzer hinter sich haben, zu vermeiden gewesen wäre. Ein Border Collie trägt den Fluch des intelligenten Hundes- er ist kein Problemhund, er wird zu einem, wenn ihm die Regeln des Miteinanders nicht erklärt werden, wenn er nicht konsequent erzogen wird, wenn seinem Bewegungsdrang und seinem Lerneifer nicht Rechnung getragen wird, wenn er als Arbeitsgerät "nach Gebrauch aufgeräumt" oder als Familienhund "nur so" gehalten wird.

 

Border Collies sind intelligent und schnell und verlangen das auch von ihren Besitzern - zumindest im Kopf zu sein. Aber es sind Hunde, die als solche behandelt werden wollen. Gerade Borders sind noch mit einem gewaltigen Potential an Instinkt und "Wissen" ausgestattet. Ihre Fähigkeit mitzudenken, komplexe Vorgänge zu begreifen und selbständig zu arbeiten sind ebenso wie die Bereitschaft, mit uns zusammenzuarbeiten und andere ,egal ob Schaf oder Mensch, "zu lesen" bemerkenswert.

 

Ich selbst habe zur Zeit drei "gebrauchte" Hunde von unterschiedlicher Herkunft (D;GB;B) und mit unterschiedlichen "Macken". Anfängliche Probleme waren: Unsauber, Angstaggression, Dominanzaggression, Fettleibigkeit (26kg), Abgemagert, verwurmt und voller Flöhe, Beissen, Geräuschangst, Zwingerneurose, Berührungsangst, Angst vor Fremden/Kindern/Männern, Aggressivität gegen andere Tiere, Überanstengte Sehnen, Ungehorsam durch mangelnde /falsche Erziehung, ...

 

Alle drei Hunde wurden abgegeben, weil ihre Besitzer nicht mehr mit ihnen klarkamen. Es ist sicherlich nicht jedermanns Sache verkorkste Hunde zu "renovieren". Faszinierend für mich ist mitzuerleben, wie wieder normale, agile und ich denke auch ganz glückliche Hunde aus den Dreien werden.

Wir Züchter sollten daran denken, daß die Verantwortung gegenüber den von uns gezogenen Tieren nämlich nicht mit deren Verkauf endet. Vielleicht sollten wir uns ein bißchen an die eigene Nase fassen und uns einige der Eigenschaften, die wir an unseren Hunden so schätzen, zu eigen machen.- zum Wohle der Hunde und all derer, die mit ihnen zu tun haben. Das wichtigste, meiner Meinung nach ist es doch, Freude und Spaß an und mit unseren tollen Hunden zu haben.

 

An dieser Stelle ein Dankeschön an all die Bordermenschen, die mir beim Aufbau meiner Zucht behilflich sind und waren. Den ZüchterInnen, die ich mit Fragen löchern durfte und die mir immer mit Rat und Tat zur Seite standen. Den Ausbildern, die mich ins Geheimnis des Schafhütens einwiesen, den verantwortungsvollen Autoren von mir verschlungener Fachliteratur und Jahrbüchern und den BorderzüchterInnen und BesitzerInnen, die für und mit ihren Hunden leben und arbeiten und mir dadurch ein Vorbild sind. Auch an meine Familie, die meine Borderleidenschaft teilt, und meinen lieben Freund, der mich tatkräftig unterstützt.

 

Ebenso an meine Skuddenschafe, die mich "auf den Border gebracht" haben. Nicht zuletzt an meine Hunde, die mich täglich vor neue Herausforderungen stellen. Ihre unterschiedlichen Charaktere und ihr Wesen faszinieren mich immer wieder aufs Neue. Ebenso wie sie liebe ich die Arbeit mit ihnen. Sie sind ein wichtiger Teil meines Lebens und aus diesem nicht mehr wegzudenken.

 

Einmal Border- immer Border !

Elke Schütz (1999)